Drastische Sparmaßnahmen am Uni-Klinikum Graz: Abteilung für Phoniatrie wird geschlossen
Schwerer Schaden für Patienten mit Stimm-, Sprech-, Sprach- und Schluckstörungen im gesamten südösterreichischen Raum
Graz Der Universitätsklinik Graz stehen im Zuge großangelegter Sparmaßnahmen dramatische Einschnitte bevor: Zahlreiche Abteilungen sollen geschlossen und Kliniken zusammengelegt werden. Von diesen Restrukturierungsmaßnahmen ist auch die Klinische Abteilung für Phoniatrie betroffen, die europaweit einen ausgezeichneten Ruf genießt. Sie soll aufgelöst werden.
Diese Abteilung, in welcher alljährlich rund 1100 Patienten mit Störungen der Stimme, des Sprechens, der Sprache und des Schluckens stationär und weit über 7000 ambulant behandelt werden, wurde vom international renommierten Prof. Dr. Gerhard Friedrich in den vergangenen Jahrzehnten aufgebaut. Jetzt wurde entschieden, dass es nach dessen Pensionierung in spätestens drei Jahren keine eigene Logopädie-Abteilung am Klinikum mehr geben solle.
Laut Rektorat und Krankenhausleitung ist geplant, die Klinische Abteilung für Phoniatrie (Stimm- und Sprachheilkunde) in die HNO-Abteilung zu integrieren. Die Patienten würden dort angeblich ebenfalls bestens behandelt werden.
Das wird allerdings von den Ärzten, Logopädinnen und Psychologen der Phoniatrie-Abteilung nicht so gesehen. In einem Schreiben heißt es, man müsse "die von der Klinikumleitung getroffene Entscheidung und von oben dekretierte Umsetzung zur Kenntnis nehmen". Allerdings müsse man gleichzeitig darauf aufmerksam machen, dass ein künftiger Verzicht auf die Expertise dieser Abteilung "nicht absehbare Folgen auf die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung im gesamten südösterreichischen Raum haben wird".
Die Phoniatrie ist ein ärztliches Spezialgebiet und kann in Österreich im Rahmen einer dreijährigen Ausbildung zusätzlich zum Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde erworben werden. Die Phoniatrie ist jene medizinische Disziplin, welche Stimm-, Sprech- und Schluckstörungen diagnostisch, therapeutisch und wissenschaftlich behandelt. Eine Vielzahl an medizinischen Gebieten, wie Neurologie, Psychiatrie, Pädiatrie, Kieferchirurgie, Interne Medizin, Chirurgie, Radiologie sowie fachbezogene Disziplinen wie Linguistik, Phonetik, Logopädie, Akustik, Psychologie, Pädagogik, Kommunikationswissenschaften und Informatik sind Bestandteile der Behandlungsmethoden. Das Therapiespektrum der Phoniatrie umfasst medikamentöse, prothetische, physikalische, rehabilitative, logopädische sowie chirurgische Verfahren.
Auf Grund der engen anatomischen und funktionellen Beziehungen ergibt sich die Zuständigkeit für ein weiteres, in seiner Bedeutung ständig zunehmendes Aufgabengebiet: die Diagnostik und Behandlung von Schluckstörungen. In einer Zeit, in der die Menschen immer älter werden, werden diese speziellen Kompetenzen im Rahmen der geriatrischen Versorgung der Bevölkerung zusehends wichtiger.
Die Klinische Abteilung für Phoniatrie der HNO-Univ.-Klinik Graz hat sich in den vergangenen Jahren, insbesondere durch wissenschaftliche und spezielle phonochirurgische Leistungen, über die europäischen Grenzen hinaus einen Namen gemacht. Stellt man der Anzahl an wissenschaftlich tätigen Mitarbeitern die Forschungsgelder und veröffentlichten Publikationen gegenüber, so steht die klinische Abteilung für Phoniatrie an der Spitze aller Klinken und Abteilungen der Medizinischen Universität Graz.
Abteilungsleiter Prof. Dr. Gerhard Friedrich ist sowohl auf dem Gebiet der Forschung als auch aufgrund seiner Operationsmethoden und der vielen von ihm veröffentlichten Publikationen weit über die Grenzen Europas hinaus anerkannt. Er ist auch Initiator der "Grazer Stimmtage", auf denen sich alljährlich nationale und internationale Spezialisten mit einem bestimmten Fachgebiet aus dem Bereich Phoniatrie beschäftigen. Friedrich ist schockiert über die Absicht, die Abteilung nach seiner Pensionierung schließen zu wollen: "Stimm- und Sprachstörungen beeinträchtigen den normalen Lebensablauf enorm. Auf Kosten dieser leidgeprüften Menschen sparen zu wollen, kann man nur scharf verurteilen!"
Ein Betroffener: Phoniatrie-Abteilung rettete mein Leben
Einer der Patienten der Phoniatrie-Abteilung an der Grazer Klinik war der Journalist und Autor Arno Wiedergut, dem im Jahre 2002 - nachdem drei Kärntner HNO-Fachärzte seinen Kehlkopf-Tumor nicht erkannt hatten - schließlich der gesamte Kehlkopf entfernt werden musste. Wiedergut: "Ich hatte von einem Tag auf den anderen keine Stimme mehr und nur noch einen Gedanken: So kann ich nicht leben, ich bringe mich um! Doch dem Team um Professor Friedrich ist es durch enormes Engagement gelungen, mich davon abzubringen ich wurde psychologisch einfühlsam betreut und habe mit Hilfe einer ausgezeichneten Logopädin wieder sprechen gelernt. Auch die Unterstützung durch die Ärztinnen und Ärzte war überragend. Neun Monate nach meiner schweren Operation konnte ich in meinen Beruf zurückkehren. Eine derart wertvolle Abteilung zu schließen wäre ein Wahnsinn - die Phoniatrie Graz hat mein Leben nicht nur gerettet, sondern wieder lebenswert gemacht!"
Rückfragehinweise: Prof. Dr. Gerhard Friedrich, T: +43 (316) 385 12579,
M: gerhard.friedrich@klinikum-graz.at
Arno Wiedergut: T: 0650/3503150, M: arno.wiedergut@pss.at
Fotos: kk